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Wie kommt die Demokratie nach Euroland? – Überlegungen zur Machtfrage

Anna-Maria Hetze

Vortrag für die Diskussion “Die Zukunft Eurolands: Vom Fiskalpakt zu einem Euroland-Bürger-Pakt!” am 30.06.2012 in Berlin
Ich möchte zunächst ausführen, welchen Schwierigkeiten wir bei der Demokratisierung Eurolands gegenüberstehen, und zwar unter dem Aspekt der Macht. Danach möchte ich einige Anregungen zu deren Überwindung geben. Ich werde mich dabei speziell mit der Frage des tatsächlichen sozialen Einflusses beschäftigen. Hintergrund ist die Beobachtung, daß Strategien, gesellschaftliche Verän-derungen vorzunehmen, unterschiedlich gut wirksam sind.

Vortrag für die Diskussion

“Die Zukunft Eurolands: Vom Fiskalpakt zu einem Euroland-Bürger-Pakt!”

am 30.06.2012 in Berlin

 

 

Ich möchte zunächst ausführen, welchen Schwierigkeiten wir bei der Demokratisierung Eurolands gegenüberstehen, und zwar unter dem Aspekt der Macht. Danach möchte ich einige Anregungen zu deren Überwindung geben. Ich werde mich dabei speziell mit der Frage des tatsächlichen sozialen Einflusses beschäftigen. Hintergrund ist die Beobachtung, daß Strategien, gesellschaftliche Verän-derungen vorzunehmen, unterschiedlich gut wirksam sind.

1 Herausforderungen auf dem Weg zu einer gesamteuropäischen Demokratie

In den letzten Jahren ist für viele Menschen in Europa deutlich geworden, wie sehr unsere Regie-rungen mit den Menschen des Geldes verbunden sind, d.h. wie groß die Korruption ist. Diese Verquickung von Macht und Geld ist uns aus der Geschichte vertraut. Individuen, die über Ressourcen verfügen – ob das Wissen, politische Macht oder Geld sind -, arbeiten zum gegen-seitigen Nutzen zusammen und berücksichtigen für ihre Entscheidungen vor allem diejenigen, von denen sie ansonsten kraftvollen Widerstand oder andere Unannehmlichkeiten zu erwarten hätten. Mit dem Demokratisierungsschub im 20. Jahrhundert verschwand die Verbindung aus Macht und Geld bzw. Politik und Wirtschaft aus der öffentlichen Wahrnehmung. Die Gewährung bürgerlicher Rechte wie das Recht zur Bildung von Zusammenschlüssen, zur Redefreiheit, zum Einbringen von Petitionen etc. haben vordergründig die Illusion einer demokratischen Teilhabe erzeugt. Was aber deutlich geworden ist, ist, daß hinter den formalen demokratischen Machtstrukturen informell weitere Machtmechanismen ablaufen. Während sich für die Bürger die Wahrnehmung demokrati-scher Rechte auf die offiziell vorgegebenen Möglichkeiten beschränkte, haben machtorientierte Teile der Wirtschaft Möglichkeiten der Einflußnahme gefunden, die nicht offiziell vorgesehen waren und bestimmen heute die Politik. 

Um zu verstehen, wie ihnen das möglich war, muß man sich anschauen, welche Einstellungen und Strategien für die Oberschicht charakteristisch sind:

  1. Sie diskutieren ihre eigenen Interessen und Pläne nicht öffentlich.
  2. Sie verfügen über einen klaren Willen zur Macht.
  3. Sie verfügen über Wissen über Strategien der sozialen Einflußnahme bzw. der Machtausübung.
  4. Ihnen ist bewußt, daß sie über Ressourcen verfügen müssen, wenn sie etwas erreichen wollen, und sie sind entschlossen, sich diese zu verschaffen.
  5. Sie formulieren langfristige und konkrete Ziele.
  6. Sie haben einen langen Atem und machen kleine Schritte unterhalb der Wahrnehmungsschwelle.
  7. Sie sind pragmatisch statt ideologisch. Was ihren Machtinteressen dient und funktioniert, wird gemacht.
  8. Sie sind kreativ. Sie verstehen alle Bedingungen für die Erreichung ihrer Ziele zu nutzen.
  9. Sie gestalten vorausschauend die Bedingungen, die für die erfolgreiche Implementierung von Maßnahmen erforderlich sind.
  10. Sie pflegen Kontakte und arbeiten für gemeinsame Interessen zusammen.

Warum ist es wichtig, sich diese Punkte zu vergegenwärtigen? Weil es ein Unterschied ist, ob man Partizipation und damit gesellschaftlichen Einfluß formal festlegt oder ob man diesen auch tatsäch-lich inne hat. Neue vertragliche Vereinbarungen für ein Europa der Bürger müssen deshalb wirksam abgesichert werden.

2 Mögliche Lösungsansätze für einen erfolgreichen Kampf um die Demokratisierung Eurolands

Zunächst möchte ich wichtige strategische Forderungen nennen, um dann auf mögliche Inhalte eines europäischen Gesellschaftsvertrages einzugehen.

2.1 Strategische Forderungen 
Die strategischen Forderungen betreffen die Punkte, an denen der gesellschaftliche Wandel wirksam ansetzen kann und die beobachtet werden müssen, damit neugeschaffene demokratische Strukturen in Europa nicht wieder auf inoffiziellen Wegen außer Kraft gesetzt werden können. Es reicht also nicht, sich nur um einen formalen Vertrag für demokratische Teilhabe zu bemühen, sondern wir müssen auch auf die inoffiziellen Mächte, die sich nicht wegvereinbaren lassen, achten.

Deshalb gehören auch die informellen Machtinstrumente unter demokratische Kontrolle. Dabei denke ich speziell an die Bereiche

  • Bildung
  • Öffentliche Meinungsbildung / Medien
  • Finanzen

Warum? Nehmen wir die Medienkonzerne. Sind Medien nur Wirtschaftsunternehmen? Nach ihrer Bedeutung für die Demokratie sollten sie ihrerseits demokratisch kontrolliert sein.

Außerdem sollte es zu den Strategien der Mächtigen auf inhaltlicher Ebene eine Gegenbewegung geben, d.h. wir sollten die Strategien der Mächtigen nutzen, aber mit neuen Inhalten versehen.

Dabei könnte man sich z.B. folgendes vorstellen:

  1. Aufbau eines Netzwerkes von Menschen unterschiedlicher Berufe, aber mit gemeinsamem Wertekanon zwecks Transports humanistischer Werte in alle Bereiche der Gesellschaft
  2. Herausgeben von Publikationen und Presseerzeugnissen, z.B. eine Volkszeitung, die in allen Ländern Europas mit denselben Inhalten erscheint und sich speziell mit dem gemeinsamen kulturellen Erbe und der gemeinsamen Zukunft der europäischen Länder befaßt
  3. Öffentliche Diskussionsrunden über die Zukunft der europäischen Gesellschaft, z.B. in der Art der “Runden Tische” wie 1989/90 in Ostdeutschland
  4. Einfluß auf die Forschung durch Zusammenarbeit mit gemeinwohlorientierten Forschern, Vergabe von Stipendien und Preisen für Forschungsarbeiten zu einem sozialen, umweltfreundlichen und demokratischen Europa; in gleicher Weise Einflußnahme auf die Lehrinhalte in den Schulen, z.B. über Materialien zu Europa
  5. Bildung von Vereinigungen zur direkten Einflußnahme auf die Regierungen bzw. Zusammenarbeit mit aufgeklärten Politikern in den Parlamenten

Diese Maßnahmen sollten europaweit koordiniert werden. Damit würde man das gesellschaftliche Umfeld, das sich für die Idee einer gesamteuropäischen Demokratie begeistert und sie auf hohem kulturellen Niveau aktiv mitgestaltet, schaffen. D.h. es sollte nicht nur um einen neuen europäi-schen Vertrag gehen, sondern die gesellschaftlichen Verhältnisse, in die dieser implementiert wird und in denen er langdauernd wirkmächtig sein soll, müssen in einer umfassenden Strategie mitge-staltet werden. Dies bedarf einer neuen Form der Koordination.

2.2 Inhalte für einen neuen europäischen Gesellschaftsvertrag
Demokratie betrifft nur die Form der Entscheidungswege. Europa braucht darüber hinaus ein ge-meinsames Projekt, welches die Menschen begeistert, Ziele, auf die die Menschen hinarbeiten können. Dieses Projekt sollte in einem europäischen Gesellschaftsvertrag beschrieben sein. Dieser beträfe die neue Gesellschaftsform, die wir angesichts technischer Errungenschaften (z.B. Maschi-nen und Computer nehmen uns die meiste Arbeit ab) und ökologischer Notwendigkeiten, entwik-keln müssen. Und dies ist ein europäisches Projekt, weil die zugrundeliegenden Bedingungen für alle Länder Europas dieselben sind und die europäischen Staaten auch nur geeint ein wichtiger Mit-spieler in einer künftigen multipolaren Welt sein können.

Die unter 2.1 genannten Strategien sollten an den Inhalten und Zielen dieses europäischen Gesell-schaftsvertrages ausgerichtet werden.

Was könnte ein solcher europäischer Gesellschaftsvertrag beinhalten?

  1. geistig die Rückbesinnung auf die Werte der Aufklärung und Humanität
  2. Ausrichtung auf die Gemeinwohlorientierung unter Betonung von Kooperation und Solidarität sowie Menschen- und Bürgerpflichten
  3. Vorrang der Politik vor der Wirtschaft
  4. Bedarfsorientierte Wirtschaft, begrenzt durch ökologische Notwendigkeiten
  5. Vergesellschaftung der Gewinne aus dem technischen Fortschritt
  6. Steuerpolitik, die eine extreme Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen verhindert und auf Steuererhebung statt Kreditaufnahme setzt
  7. Rückübertragung der gesamten Infrastruktur in die öffentliche Hand
  8. Mitbestimmung: Grundsätzlicher Einbezug aller (wohlinformierten) Betroffenen in Entscheidungen, z.B. über ein zentrales europäisches Internetportal
  9. vollständige Umsetzung der sozialen Menschenrechte in Europa

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit! 

Anna-Maria Hetze
Dresden